In der französischen Kunstgeschichte des 18. Jahrhunderts nimmt Bouchardon einen Platz ein, der nicht stilistisch, aber in seiner Eigenständigkeit dem von Greuze vergleichbar ist. Von seinen Zeitgenossen war er überschätzt und gefürchtet zugleich. Kenner wie P. J. Mariette und der Comte de Caylus haben Bouchardon jedoch aus Überzeugung gefördert, weil er in seiner Skulptur und seinen Zeichnungen einer der ersten war, der, als Gegenpart zur Kunst der Régence und des Rokoko, zu einem Stil von klassischem Maß zurückkehrte.
Als Sohn eines provinziellen, aber angesehenen Bildhauers im Burgund ausgebildet, gelangte Bouchardon mit etwa 20 Jahren nach Paris. Nach einer kurzen weiteren Lehrzeit bei Guillaume Coustou erreichte er schon 1722 mit dem Rompreis der Akademie den ersten Schritt einer öffentlichen Laufbahn, Jahre in Rom (1723 bis 1732) folgten. Neben den obligaten Kopien nach antiken Skulpturen beweisen zahlreiche überlieferte Studien, dass sich Bouchardon dort mit Künstlern verschiedenster Richtungen - wie z.B. Michelangelo, Bernini, Algardi - befasst hat, um sich schließlich dem Lager klassischer Anschauungen anzuschließen (zum Beweis: die Bildnisbüste Stosch, 1727, Berlin). Nach seiner Rückkehr nach Paris war er sowohl für den Hof als auch die städtische Öffentlichkeit, aber auch für Privatpersonen tätig. 1733 erhielt Bouchardon den ersten größeren Auftrag für Steinskulpturen von Heiligen in der Kirche St. Sulpice; mit L. S. Adam und J. B. Le Moyne arbeitete er 1735 bis 1739 am Bassin de Neptune in Versailles; ab 1739 entstand der Brunnen in der Rue de Grenelle, 1743 folgten die Entwürfe für das nicht realisierte Grabmonument des Kardinal de Fleury, um 1750 die Statue des Amor, der aus der Keule des Herkules seinen Bogen schnitzt (Louvre), eine seiner charakteristischen Arbeiten. Den Höhepunkt bildete der Auftrag für das nach dem antiken Vorbild Marc Aurel konzipierte große Reiterstandbild Ludwigs XV. 1749 auf der heutigen Place de la Concorde, das während der Revolution zerstört wurde.
Was die Hierarchie der öffentlichen Ämter betrifft, wurde Bouchardon 1736 der offizielle Zeichner der Académie des Inscriptions et Belles Lettres, 1745 in die Akademie aufgenommen und 1746 zum Professor ernannt.
Der Art und dem Umfang seiner Aufgaben, auch der Gründlichkeit seiner Natur entsprechend, hat Bouchardon ein außerordentliches zeichnerisches Werk hinterlassen. Es sind vorwiegend Rötelzeichnungen, deren an Monotonie grenzende Strenge sich ganz bewusst von der sinnlichen Ästhetik der Zeitgenossen, z. B. eines F. Boucher, absetzt. Naturwissenschaftlich anmutende Akribie steht bei Bouchardon neben klassischer Stilisierung, wie auch in der Ausführung ein nicht zu übersehender Verismus die schließlich dominierende Idealität begleitet.