Seine erste künstlerische Schulung erhielt La Hire bei seinem Vater Etienne, einem heute kaum bekannten Pariser Maler, der seine eigene Arbeit und auch die Erziehung seines Sohnes am Stil der Schule von Fontainebleau orientierte. Anders als seine Zeitgenossen Vouet oder Perrier ist La Hire nie in Italien gewesen. Auf der Grundlage einer französisch-manieristischen Formtradition und nach einer weiteren Ausbildung im Atelier von Georges Lallemand, um 1625, entwickelte er seine eigene Malerei, die unsere heutige Vorstellung von der Pariser Kunst der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mitgeprägt hat. Seine offizielle Karriere begann mit dem Auftrag der beiden Mai-Bilder für Notre-Dame (Petrus heilt die Kranken, 1635, und Pauli Bekehrung, 1637). La Hires spezielle Begabung zeigte sich besonders in großformatigen Tafelbildern religiöser und profaner Inhalte, in Deckengemälden und Entwürfen für Wandteppiche, insbesondere der Folge des Heiligen Stephanus für St. Etienne-du Mont. Seine Auftraggeber gehörten weniger dem Hof als dem Klerus und dem hohen Beamtenstand an, d. h. einer sozialen Schicht mit Bildungsvorstellungen, denen seine eigenen Interessen - Literatur, Musik, Mathematik - entsprachen. Aufgrund der schriftlichen Äußerungen, der zahlreichen überlieferten Arbeiten - neben Gemälden und Zeichnungen 35 Radierungen - lassen sich jedoch drei Grundphasen seiner künstlerischen Entwicklung unterscheiden: Bis ca. 1625 sind die Arbeiten weitgehend vom Stil des Manierismus geprägt, der sich in den Zeichnungen in einer zarten Kreidetechnik, überlängten Figuren mit einer manchmal überspitzten Gestik äußert. Danach, bis in die erste Hälfte der 40er Jahre, setzen sich barock anmutende Züge durch, charakterisiert durch zunehmendes Volumen im Sinn einer spannungsreichen Gliederung von Körper und Raum und einer hellen Farbigkeit. Dementsprechend sind die Zeichnungen durch graue Lavierungen akzentuiert. Die schon dieser Phase eigene Neigung zu harmonischem Ebenmaß und einer gewissen Eleganz wandelt sich danach zu einem strengeren Klassizismus. Dieser wird in der letzten Phase der 50er Jahre durch idyllische landschaftliche Elemente gemildert. Auf den La Hire eigenen Klassizismus bezieht sich im 18. Jahrhundert offensichtlich die lobende Äußerung von Dezallier d’Argenvill.