Nur wenige biographische Daten, aber ein umfangreiches Werk vermitteln eine Vorstellung von diesem Künstler, der - eine Generation jünger als Hubert Robert - gewisse Aspekte seiner Ruinenbilder aufgegriffen hat.
Da Nicolle nie der Pariser Akademie angehörte, keine offiziellen Ämter bekleidete und für eine weitgehend anonyme Kundschaft gearbeitet hat, fehlen die sonst bei seinen Zeitgenossen üblichen chronologischen Anhaltspunkte.
Er besuchte stattdessen die damals neu gegründete „Ecole royale gratuite de dessin“ und erhielt dort einen vor allem auf die Praxis des Architekten bezogenen Unterricht (1771 Grand Prix de Perspective). Daraufhin folgten Jahre im Atelier des Architekten Petit-Radel.
Die anschließende Zeit ist nur anhand der überlieferten Arbeiten zu rekonstruieren, denen zufolge der Künstler 1787-98 und nochmals 1806-11 in Italien, vor allem in Rom, gelebt hat.
Grundsätzlich Neues hat Nicolle nicht entwickelt. Nuancen erweisen jedoch eine andere, seiner jüngeren Generation entsprechende Sehweise.
Auch er benutzte das architektonische Capriccio mit Staffage, schilderte die Einzelformen jedoch mit einer Genauigkeit, die auch seine Neigung zu topographischen Darstellungen erklärt. Die Figuren entsprechen entweder zeitgenössischer Mode oder orientierten sich an älteren Vorbildern wie hier z. B. an Salvator Rosa.
Die bei Hubert Robert so wichtige Qualität des Erlebnisses verändert sich in Nicolles Werk zu einer eigenen Verbindung von Objektivität und Pittoreske, die dem Geschmack des damaligen breiteren gebildeten Bürgertums entgegenkam.
Dem entspricht auch seine Technik der spitzen Feder und des Aquarells, dessen Farbigkeit manchmal in die wenig glückliche Nähe der Porzellanmalerei gerät.
Die Blätter sind häufig signiert, aber selten datiert. Da Nicolle offensichtlich am Ort skizzierte, zu Hause weiterarbeitete und gewisse Motive mehrfach wiederholte, kann der dargestellte Gegenstand nur bedingt zur Datierung dienen. Andererseits hat er auch mehr darstellerische Methode als bildnerische Entwicklung, so dass bei der Betrachtung seiner Blätter mehr das Genre als die einzelne Leistung von Interesse ist.