Anfang der 1960er-Jahre entwickelt eine Gruppe von Wiener Malern künstlerische Aktionsformen, die den Gattungsrahmen der Malerei sprengen. Ausgehend von der US-amerikanischen Kunstrichtung des Action-Paintings, die den physischen Akt des Malens als zentralen Aspekt eines Werkes auffasst, widmen sich die Wiener Aktionisten drastischen Vorführungen. Gemeinsam mit Otto Muehl und Adolf Frohner realisiert Hermann Nitsch 1962 die Performance "Die Blutorgel", in der beispielhaft rote Farbe durch das echte Blut eines vor Publikum ausgeweideten und zerrissenen toten Lamms ersetzt wird. Pseudorituelle Veranstaltungen, die an Kulthandlungen, Opferrituale und mittelalterliche Mysterienspiele erinnern, führen das gestisch-expressive Element der informellen Kunst der Nachkriegszeit mit realen Mitteln fort. Für ihre wilden Materialaktionen verwenden Nitsch, Mühl, Günther Brus oder Rudolf Schwarzkogler Innereien, Tierkadaver und Kot. Im Rahmen der öffentlichen oder vor der Kamera aufgenommenen „Abreaktionsspiele“ finden Kreuzigungen und andere aggressive Handlungen gegen Objekte oder den menschlichen Körper statt. Durch direkte sinnliche und psychische Konfrontation erzwingen sie die Teilhabe der Zuschauer. Die Wiener Aktionskunst richtet sich gegen Konsumzwang, enge Sexualmoral und andere repressive Seiten der Gesellschaft. Die im Kontext des Wiener Aktionismus oft genannte Valie Export führt unter radikalem Einsatz ihres Körpers frauenfeindliche Tendenzen der Gesellschaft vor Augen. Bei dem Versuch, Widersprüche aufzudecken und Diskussionen auszulösen, sind die Künstler der Aktionskunst nicht nur Akteure und Projektionsflächen, sondern auch Material und Gegenstand ihrer Kunst.