Über das Werk
Auf unterstem Lebensniveau, im Soziotop der Slums und Favelas, legt Santiago Sierra Hand an. Vor Augenzeugen, die Artefakte erwarten, greift er auf Menschen zu. Eine tätowierte Linie verläuft als Fessel auf Rückenhöhe 250 Zentimeter lang über die Haut von sechs jungen Kubanern und arretiert diese, mit dem Gesicht zur Wand, in der gemeinsamen unwürdigen Position. So möchte man keinen Hund leben lassen, aber genau diesen Hinweis scheut Sierra nicht, wenn es darum geht, Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, als Schaustellern des eigenen Unwerts kynische, also „hündische“, Unterwerfungshaltungen abzufordern. Mag man ihn getrost als zynischen Manipulator verdächtigen: Nur von ganz unten wird deutlich, wie viel Würde Menschen einbüßen können. So stuft Sierra seine Akteure herab zum Gebrauchsobjekt und bezahlt sie dafür mit kleiner Münze. Erschrocken, fassungslos, wütend (erst auf den zweiten Blick erschüttert) reagieren die Augenzeugen onanierender, in Kartons hausender, Latrinen reinigender, ihre Gräber schaufelnder Elendstypen in der Rolle von Menschen als Wegwerfware. Zu hoffen haben sie nichts.