Begegnung Schlemihls mit dem grauen Männlein auf der Landstraße, Ernst Ludwig Kirchner
Ernst Ludwig Kirchner
Begegnung Schlemihls mit dem grauen Männlein auf der Landstraße
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Ernst Ludwig Kirchner

Begegnung Schlemihls mit dem grauen Männlein auf der Landstraße, 1915

Blatt 5 aus der Folge „Schlemihl“


Blatt
571 x 418 mm
Druckstock
299 x 312 mm
Material und Technik
Farbholzschnitt von zwei Stöcken in Schwarz (Zeichnungsstock) über Grün, Blau und Rot (Farbstock, monotypieartig eingefärbt) auf grauem Löschpapier
Inventarnummer
65609
Objektnummer
65609 D
Erwerbung
Erworben 1948 als Schenkung der Erben aus dem Nachlass Carl Hagemann
Status
Nicht ausgestellt

Texte

Über das Werk

"Die märchenhafte Erzählung „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ (1813) von Adelbert von Chamisso (1781–1838) wurde für Kirchner während des Ersten Weltkriegs zum Gleichnis des eigenen Identitätsverlusts. Noch im Jahr der Entlassung aus dem Militär legte er mit dem „Schlemihl“-Zyklus eine eigene, kühn autobiografische Interpretation der Geschichte vor. Es mag der zutiefst selbstreflexiven Natur des Werks geschuldet sein, dass Kirchner nur fünf komplette Folgen des Zyklus‘ druckte und diese ausschließlich an enge Freunde verteilte.

Die Holzschnittfolge zählt zu den Meisterwerken des Expressionismus. Wie bei der „Kokotte auf der Straße“ (Städel Museum, Inv.-Nr. 65598) sind die sechs Blätter von je zwei, zum Teil zersägten, meist mit dem Pinsel monotypisch eingefärbten Holzstöcken gedruckt. Eng mit dem Inhalt der Erzählung verschränkt, lösen sich die ‚Farbflächen‘ immer stärker aus den Umrissen des Zeichnungsstocks, bis die Komposition ganz aus Farbe gestaltet ist. Im letzten Blatt hat der Schatten mehr ‚Substanz‘ als Schlemihl, der sich seinerseits schemenhaft auflöst.

In der Erzählung Chamissos verkauft Schlemihl für nicht versiegenden Reichtum seinen Schatten, wird dadurch aber zum Außenseiter der Gesellschaft. Kirchner las das Märchen als Geschichte eines „Verfolgungswahnsinnigen“, der seine „innerste Eigenart verkauft“, den Schatten. Er verliebt sich, doch die Liebe bleibt unglücklich, auch aus der Gesellschaft wird er ausgestoßen. Als ihm auf der Landstraße das graue Männlein begegnet, dem er einst den Schatten verkaufte, lässt sich der Handel nicht mehr rückgängig machen. Traurig zieht Schlemihl durch die Lande und begegnet unverhofft seinem Schatten, doch es gelingt ihm nicht, ihn wieder an seine Fersen zu heften. Nach Chamisso läuft Schlemihl zuletzt mit Siebenmeilenstiefeln um die Welt – ein versöhnliches Motiv, das umzusetzen Kirchner unmöglich war."

Über die Erwerbung

Der Frankfurter Chemiker und Industrielle Carl Hagemann (1867–1940) trug ab 1900 eine der wichtigsten Privatsammlungen moderner Kunst zusammen. Sie umfasste zahlreiche Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Druckgrafiken, insbesondere von Künstlern der „Brücke“. Während des Zweiten Weltkriegs ermöglichte der damalige Städel-Direktor Ernst Holzinger den Erben des bei einem Unfall verstorbenen Carl Hagemann, die Sammlung gemeinsam mit dem Museumsbestand zu evakuieren. Zum Dank hierfür übereignete die Familie 1948 nahezu alle Papierarbeiten dem Städel Museum. Weitere Schenkungen und Dauerleihgaben, aber auch Ankäufe von Gemälden und Aquarellen aus dem Nachlass Hagemann halfen, die Verluste zu kompensieren, die das Museum 1937 im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ erlitten hatte. Die Sammlung Hagemann bildet heute den Kern der Expressionismus-Sammlung im Städel Museum.

Werkdaten

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Letzte Aktualisierung

15.11.2024