Berliner Straßenszene, Ernst Ludwig Kirchner
Ernst Ludwig Kirchner
Berliner Straßenszene
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Ernst Ludwig Kirchner

Berliner Straßenszene, ca. 1914


Blatt
677 x 503 mm
Material und Technik
Pastellkreiden und Kohle auf Vergépapier
Inventarnummer
16069
Objektnummer
16069 Z
Erwerbung
Erworben 1948 als Schenkung der Erben aus dem Nachlass Carl Hagemann
Status
Kann im Studiensaal der Graphischen Sammlung vorgelegt werden (besondere Öffnungszeiten)

Texte

Über das Werk

Als das »Brücke«-Mitglied Ernst Ludwig Kirchner 1911 von Dresden nach Berlin übersiedelte, wurde das Leben der modernen Großstadt zu einem zentralen Thema seiner Werke, die heute zu den Höhepunkten seines künstlerischen Schaffens zählen. Das Pastell der Berliner Straßenszene gehört in den gedanklichen Zusammenhang vieler Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphiken, in denen der Künstler das hektische Treiben auf den Straßen und Plätzen der Hauptstadt thematisierte und stets den Besonderheiten der jeweiligen Technik entsprechend umsetzte.

Den Vordergrund der Szene beherrscht ein Gefüge aus drei überlängten Figuren, das die gesamte Höhe der Bildfläche einnimmt: Mit dynamischen, raschen Strichen charakterisiert Kirchner einen in Hut und Mantel gekleideten Mann und zwei mondän angezogene Frauen. Bereits ihre Aufmachung, Federhüte, der übermächtige Kragen des Kostüms und hochhackiges Schuhwerk, verleiht ihnen ein auffälliges Aussehen. Ihr Posieren und ihre die Umgebung aufmerksam registrierenden, maskenartigen Gesichter, die durch eine schrille, hellblaue Farbgebung hervorgehoben sind, geben sie als Kokotten zu erkennen. Die in spitzen Winkeln zackig auslaufenden Formen und die vorherrschenden Farben, das Schwarz, das Türkis des Kostüms, das Violett von Kopfbedeckung und Hosen des Freiers, vor allem aber das schwefelgelbe Licht, das sie umgibt, geben der Szene einen aggressiven Charakter. Vielsagend führt hinter der rechten Figur eine Phalanx von parallel gestreckten Männerbeinen in die Tiefe des ansonsten unbestimmten Raumes. Es ist dieses Element der Komposition, welches in dem Gemälde »Friedrichstraße« (1914, Staatsgalerie Stuttgart) wiederkehrt. Die energetisch aufgeladene Spannung aber ist im heftigen Duktus und der Intensität der Pastellfarben der Zeichnung unmittelbar eingelöst.

Der Blick des Künstlers auf die herausfordernde Erotik der großstädtischen Zivilisation unterscheidet sich wesentlich von der natürlich-sinnlichen Auffassung seiner in Dresden und auf Fehmarn entstandenen Werke. Nachdem sich die Gemeinschaft der »Brücke«-Künstler 1913 aufgelöst hatte und Kirchner durch seine Mitarbeit am »Sturm« in das Zentrum der expressionistischen Bewegung eingetreten war, prägt eine Zeichnung wie seine »Berliner Straßenszene« unser Bild von der Stimmung in der Metropole Berlin am Vorabend des Ersten Weltkriegs.

Das Pastell gehörte einst dem Sammler Carl Hagemann, der dem Künstler bis an sein Lebensende freundschaftlich verbunden war. Dank des »Vermächtnisses Dr. Carl Hagemann« verfügt die Graphische Sammlung über einen der bedeutendsten Bestände zur Kunst des Expressionismus.

Über die Erwerbung

Der Frankfurter Chemiker und Industrielle Carl Hagemann (1867–1940) trug ab 1900 eine der wichtigsten Privatsammlungen moderner Kunst zusammen. Sie umfasste zahlreiche Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Druckgrafiken, insbesondere von Künstlern der „Brücke“. Während des Zweiten Weltkriegs ermöglichte der damalige Städel-Direktor Ernst Holzinger den Erben des bei einem Unfall verstorbenen Carl Hagemann, die Sammlung gemeinsam mit dem Museumsbestand zu evakuieren. Zum Dank hierfür übereignete die Familie 1948 nahezu alle Papierarbeiten dem Städel Museum. Weitere Schenkungen und Dauerleihgaben, aber auch Ankäufe von Gemälden und Aquarellen aus dem Nachlass Hagemann halfen, die Verluste zu kompensieren, die das Museum 1937 im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ erlitten hatte. Die Sammlung Hagemann bildet heute den Kern der Expressionismus-Sammlung im Städel Museum.

Werkdaten

Werkinhalt

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Letzte Aktualisierung

15.11.2024