Über das Werk
Bis heute ist Wilhelm Busch für seine humorvoll bis ironischen Bildergeschichten bekannt, allen voran für „Max und Moritz“, den beiden Lausbuben, die sich an ihren wohlausgesonnen Untaten erfreuen, bevor sie selbst auf bitterböse Weise ihre Strafe erhalten und ihr Ende finden. Dass Busch eine echte Doppelbegabung im Bereich der Kunst und der Dichtung war, belegen diese Bildergeschichten eindrücklich. Sie zeigen Busch aber auch als feinen Beobachter der grundmenschlichen Natur.
Der Frankfurter Mäzenin Johanna Kessler (1831–1915), mit der Wilhelm Busch zwischen 1868 und 1877 in engem Kontakt stand, verehrte er in tiefer Verbundenheit eine Reihe von Manuskripten, die in Vorbereitung der Bildergeschichten entstanden waren oder die er in mühevollem ‚Minnedienst‘ eigens schuf. Sie gelangten 1930/31 ins Städel Museum und geben Einblick in den Werkprozess des Künstlers. In der Regel entstand zunächst die Bilderfolge, die Busch mit freier, sicherer Hand auf größere Bogen Papier zeichnete. Ausgeschnitten und neumontiert schickte er sie, wie im Falle der Bilderfolge zur „Jobsiade“ (1871, Inv.-Nr. 15325-15357, Städel Museum) dann an den Verleger. Der gereimte Text kam hier erst später, aber auch sonst entstanden die Verse meist in einem zweiten Schritt. Die Bilderhandschriften zu „Pater Filucius“ (1872, Inv.-Nr. 15518-15559, Städel Museum), „Dideldum!“ (1873, Inv.-Nr. 15359-15416) und „Abenteuer eines Junggesellen“ (1875, Inv.-Nr. 15429-15517) zeigen im Vergleich dazu bereits Verse und Bilder. Sie nehmen in ihrer Anordnung zudem den späteren Satz vorweg. Für den Druck mussten die Bilder zuletzt als Holzstiche reproduziert werden. Busch wiederholte dafür die Bildvorlagen direkt auf den Druckstock, meist mit Bleistift, wobei er die Darstellung eigentlich spiegeln musste, damit sie im Druck seitenrichtig erscheint. Das Stechen übernahm dann ein professioneller Xylograph. Die Zierhandschriften zu „Hans Huckebein“ (um 1870, Inv.-Nr. 15560-15572, Städel Museum) und zu „Der heilige Antonius von Padua“ (1871, Inv.-Nr. 15358, Städel Museum) entstanden nach den Drucken als Gefälligkeit für die Gönnerin Johanna Kessler. In ihrer Gestaltung lehnen sie sich an mittelalterliche, illuminierte Handschriften an.
In „Pater Filucius“ spinnt Wilhelm Busch mit spitzer Feder die Erzählung eines unlauteren Jesuiten, der sich die Reichtümer eines ledigen Privatiers zu erschleichen versucht. Die antiklerikale Parodie entstand im Kontext des Kulturkampfes, des Konflikts zwischen Preußen bzw. des neugegründeten Deutschen Kaiserreichs und der katholischen Kirche also, bei dem 1872 per Gesetz auch vorübergehend der Jesuitenorden verboten wurde. Noch vor diesem Verbot schuf Busch, auf Anregung seines Verlegers Otto Bassermann und nach eingehenden Recherchen, den „Pater Filucius“; er erschien im November 1872 erstmals im Druck. In Vorbereitung entstand die Städelsche Bilderhandschrift, die Busch selbst als „Skizzenmanuscript“ bezeichnete und die er 1873 Johanna Kessler schenkte. Es zeigt die gesamte Anlage des später gedruckten Buches in Bild und Text. Busch schnitt dafür die ursprünglich auf größere Bogen gezeichneten Bildvorlagen aus und klebte sie in die bereits mit dem Text versehene Handschrift. Die mit flottem Strich ausgeführten, teils etwas knapp beschnittenen Federzeichnungen zeigen die Bildmotive im Vergleich zum Druck im Gegensinn, da Busch bei der Übertragung der Zeichnungen auf den Holzstock auf eine Spiegelung verzichtete. Im Gegensatz zu dem kalligrafisch gestalteten Text der Zierhandschriften schrieb Busch die Verse, abgesehen von den Initialen, hier in seiner ‚normalen‘ Handschrift nieder. Der Einband, wohl von Johanna Kessler bei einem Buchbinder beauftragt, dürfte von Busch zu späterem Zeitpunkt betitelt worden sein. – Vgl. die Ausführungen von Hans Ries in: Wilhelm Busch. Die Bildergeschichten. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Hannover 2002, Bd. II, Sp. 1320–1377, besonders Sp. 1366–1369.