Über das Werk
Ein unkonventioneller, experimenteller Umgang mit Materialien und Techniken zeichnet das Werk von Antoni Tàpies seit Beginn seiner künstlerischen Arbeit gegen Mitte der vierziger Jahre aus. So zeigt auch diese frühe Collage, mit malerischen, zum Teil erhabenen Strukturen, Kratzspuren und aufgeklebten Papierfetzen bereits wesentliche bildnerische Merkmale und charakteristische haptische Qualitäten. Die »Collage mit den Kreuzen« ist ein Materialbild und steht als eine Arbeit auf Papier ebenbürtig neben den Gemälden des Künstlers.
1943, nach einem langen Sanatoriumsaufenthalt wegen eines Lungenleidens, hatte Tàpies zunächst auf Wunsch des Vaters ein Jurastudium aufgenommen, das er 1946 abbrach, um sich ausschließlich der Kunst zu widmen. Neben figurativen Federzeichnungen, die surrealistisch beeinflusst und symbolbefrachtet vor allem das Selbst befragen, arbeitete Tàpies auch auf Karton, um in eher dadaistischer Tradition abstrakte Materialcollagen aus Bindfäden, Zeitungs- und wie hier unter Einfügung von Haushaltspapier zu entwickeln.
Die im Titel genannte Collage betont die zerknüllten, hellen Papiere, deren materielle Wirkung die Komposition bestimmt. Die Elemente, die Tàpies kombinierte, der bemalte Karton, Kreuze, grüne, violette und auch rote Farbflecken, ritzende Linien und zerrissenes Papier, vereinen sich zu einem Raum, der die Assoziationen des Betrachters lenkt. Die Papierfetzen, die wie die gemalten schwarzen Kreuze über die Fläche verteilt sind, wirken wie hingeweht und zu Teilen durchfeuchtet von einer tonig braunen Erde. Das Zeichen des Kreuzes ist neben Buchstaben, Zahlen und mathematischen Kürzeln das meistgenutzte des Künstlers. Es markiert, negiert und es steht für Addition, für den Glauben und für den Tod. Während die aggressiven, die Farboberfläche aufreißenden Linien Spuren der Gewalt vermitteln, lassen die Farbtupfen eher an Blüten denken und das strahlend weiße Kreuz im Vordergrund an ein besänftigendes Zeichen, das den Frieden sucht.
Die europäische Kunst- und Kulturgeschichte interessiert Tàpies ebenso wie die mittelalterlichen Mystiker und die europäische und fernöstliche Philosophie. Auch Freundschaften mit katalanischen Künstlern wie Joan Miró (1893–1983) oder dem Lyriker Joan Brossa (1919–1998) prägen seine Arbeit. Die Zeitgeschichte der Diktatur Francos, der die Autonomie Kataloniens aufgehoben hatte, wurde zum bestimmenden Faktor für die verschlüsselte Mitteilung seiner Materialbilder. In Antoni Tàpies »Collage de les creus« wird, gerade auch im Vergleich zur zeitgleichen »Figure« Pollocks, eine zutiefst europäische und subjektiv anmutende Haltung greifbar.