Über das Werk
In heiterer Atmosphäre beschreibt Fragonard das Bemühen und die Unbekümmertheit wetteifernder Kinder im Kreise einer eleganten Gesellschaft. Eine Szene wie diese könnte er im Pariser Stadtpalais seines Gönners Duc de Chabot angetroffen haben, wo der Herzog gemeinsam mit seiner Gemahlin Elisabeth Louise de la Rochefoucault neben anderen mäzenatischen Betätigungen eine private Zeichenakademie unterhielt. Unter den Gästen, die im Hause verkehrten, waren Künstler wie Fragonard und sein Freund Hubert Robert, die betuchten Dilettanten Zeichenunterricht erteilten, aber auch Zeitgenossen wie der junge Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791). In einem Brief vom 1. Mai 1778 an seinen Vater Leopold berichtet er von seinem Vorspiel im Hôtel de la Rochefoucault. Bitter beklagt er sich über die anwesende Gesellschaft, die unablässig gezeichnet habe statt aufmerksam zuzuhören.
Ähnlich ungezwungen wirkt auch der von Fragonard geschilderte Wettbewerb. Inmitten einer repräsentativen Architektur hat sich die lebhafte Kinderschar unter hell einfallendem Tageslicht an einem Tisch versammelt, um sich mehr oder weniger konzentriert dem Lesen und Schreiben zu widmen. Zwei extravagant gekleidete Damen geben Hilfestellung, während die im Hintergrund stehenden jungen Eltern dem Streben ihrer Sprösslinge voller Entzücken beiwohnen.
Leicht und virtuos führte der Zeichner den Pinsel über die mit schwarzer Kreide angelegte Zeichnung. Durch das Zusammenspiel grauer und brauner Lavierungen mit lasierenden Wasserfarben schuf er eine Transparenz von meisterhafter Illusion, die allen Stofflichkeiten, vom steinernen Wandpfeiler bis zum schimmernden Rot der Kinderkleidung, gerecht wird.
Zu dieser bis ins Detail sorgfältig arrangierten Komposition zeichnete Fragonard ein szenisch folgendes Pendant (»Die Rückkehr des Gewinners«, Pierpont Morgan Library, New York). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass er direkt vor Ort gearbeitet hat. Doch dürfte er auf Erlebtes zurückgegriffen haben, um das aktuelle Thema der Erziehung, welches zu jener Zeit der Aufklärung von großem Interesse war, auf seine Weise zu kommentieren.
Als einstiger Schüler von F. Boucher hatte Fragonard zunächst die schwarze und rote Kreide bevorzugt, bevor in den 1770er Jahren seine Arbeit mit dem Pinsel ihren Ausgang nahm. Im Sammlungsbestand des Städel ist eine aussagekräftige Gruppe aus unterschiedlichsten Schaffensphasen des begnadeten Zeichners zusammengetragen.