Über das Werk
Neapel erlangte nicht nur wegen der reizvollen Küstengegend und des bedrohlichen Vesuvs, sondern auch wegen seiner Bräuche und Traditionen große Popularität bei Italienreisenden. Vor allem ab den 1880er-Jahren brachten in Italien ansässige Fotografen vermehrt Personenstudien in Umlauf, die das Klischee von der armen, aber unbekümmerten Bevölkerung Süditaliens prägten und beständig befeuerten. Der ursprünglich aus Frankfurt stammende Giorgio Sommer formte mit seinem Blick von außen auf die italienische Kultur die Sehgewohnheiten der Touristen. Für bestimmte Genreaufnahmen lud er Personen in sein Studio ein und ließ sie scheinbar alltägliche Handlungen nachstellen. Zu diesen die Armut idealisierenden Inszenierungen gehört auch die „Entlausung“ zweier Straßenjungen durch eine alte Frau. In der Popularität dieser Motive drückte sich die Sehnsucht vieler Käufer nach einer vermeintlich konservierten archaischen Lebensform aus, die den Gegenentwurf zu der von Lärm, Hektik und Schnelligkeit geplagten industrialisierten Gesellschaft verkörperte.