Über das Werk
Über dreißig Jahre lebte der US-amerikanische Maler Ronald Brooks Kitaj (1932–2007) in London. Wie die befreundeten Künstler David Hockney oder Lucian Freud arbeitete er, unbeeindruckt von der vorherrschenden abstrakten Malerei, durchweg figurativ. Kitajs künstlerisches Leitthema war dabei die Frage nach der eigenen jüdischen Identität. Den seinerseits aus einer jüdischen Familie stammenden US-amerikanischen Schriftsteller Philipp Roth (1933–2018) lernte Kitaj 1985 ebenfalls in London kennen. Er porträtierte er ihn noch im selben Jahr mit Kohle auf schweres, ockerfarbiges Bütten, dessen raue Oberfläche an ungrundierte Leinwand erinnert und den Strich des Kohlestifts haptisch strukturiert. Das Porträt lebt von dieser Materialität der Zeichnung ‒ und von dem spannungsvollen Wechsel von skizzenhaftem und ausgeführtem Vortrag. Nahezu plastisch ist das Gesicht ausgearbeitet, während der Rest des Körpers, insbesondere das hochgelegte Bein, mit wenigen, entschiedenen Strichen angedeutet bleibt. Wie eine Barriere schiebt sich dieses Bein zwischen den Betrachter und das ihm zugewandte Gesicht, hält ihn auf Abstand, während er gleichzeitig von Roth aufmerksam beobachtet wird.