Ziegelneger, Georg Herold
Georg Herold
Ziegelneger
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Georg Herold

Ziegelneger, 1981


Maße
90 x 130 cm
Material und Technik
Dispersion auf Hartfaserplatte
Inventarnummer
2457
Erwerbung
Erworben 2015 als Schenkung aus Privatbesitz
Status
Nicht ausgestellt

Texte

Über das Werk

Zum typischen Repertoire der deutschen 80er-Jahre-Malerei gehört auch bei Georg Herold die grenzwertige, oft geschmacklos brachiale Provokation. Hier mit einer bewusst politisch unkorrekten Darstellung: Eine aggressive Meute attackiert einen Schwarzen mit einem Ziegelstein. Die Ampel scheint Grünes Licht für den Angriff zu geben. Der ebenfalls offenkundig rassistische Titel kann als Versuch des Künstlers gelesen werden, ein generelles Anliegen (politischer) Kunst zu hinterfragen: was darf Kunst und wo hört ihre Freiheit auf. Auch mit dem Abstand von vier Jahrzehnten muss der Betrachter sich fragen, ob er oder der Künstler sich mit der rassistischen Aussage von Werk und Titel gemein macht. Auch wenn wir dem Künstler keinen rassistischen Hintergrund unterstellen, bleiben Titel wie Werk, nimmt man sie beim Wort, eine Zumutung. Und eine Herausforderung sowohl für die kunsthistorische Einordnung als auch für das Ausstellen von Kunst, die sich einem eindeutigen Zugriff oder einer inhaltlichen Aussage bewusst verweigert.

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Was sehen wir?

Das Ziel der Attacke ist eindeutig: Ein Schwarzer Mensch wird Opfer eines brutalen Angriffs mit einem Ziegelstein. Ebenso eindeutig und holzschnittartig gibt dies die Malerei wieder. Vor einem aggressiv gelben Hintergrund ist nur der Angegriffene in der Darstellung ausgestaltet, die Fratzen der Aggressoren bleiben auf ihre Konturen reduziert. Auf den zweiten Blick entzieht sich das comicartig vereinfachte Bild dann einer eindeutigen Lesart, wenn die Ampel als Symbol der Staatsgewalt grünes Licht für die Attacke zu geben scheint. Weitere Fragen tun sich auf: Warum steht Grün oben und nicht unten? Welche Bedeutung haben die im Rückgriff auf rassistische Karikaturen bewusst stereotypen Profile eines Schwarzen und eines Asiaten in den Ampel-Leuchten? Ist das Profil eines Weißen mit Mütze im roten Feld ein Polizist oder ein Arbeiter?

1981 zwischen Ost und West

Deutschland 1981: Der Kalte Krieg hat wieder an Schärfe gewonnen. Während sich in der Bundesrepublik Massenproteste gegen den Rüstungswettlauf formieren, steuert die DDR auf einen Staatsbankrott zu. Das verstärkt die ideologischen Auseinandersetzungen zwischen beiden deutschen Staaten. Laut der offiziellen Rhetorik der DDR existiert Rassismus nur im kapitalistischen Westen mit seinen faschistischen Wurzeln. Die schlechte Wirtschaftslage führt in den 1980er-Jahren jedoch zunehmend zu rassistischen Übergriffen und gewaltsamen Konflikten zwischen DDR-Bürgern und Arbeitsmigranten aus „sozialistischen Bruderländern“ wie Vietnam und Mosambik. Darauf bezieht sich der in Jena geborene, nach einem Fluchtversuch verhaftete und später vom Westen freigekaufte Künstler mit seiner Darstellung eines rassistisch motivierten Übergriffs.

Die Malerei der 1980er-Jahre

Direkt und brachial, provokant und ironisch: Die figurative Malerei der 1980er-Jahre in Deutschland überschreitet mit ihren malerischen Mitteln und der Wahl der Bildtitel oft die Grenzen des guten Geschmacks. Nicht selten werden dabei politische, historische oder gesellschaftliche Themen verhandelt. Viele Künstler verzichten bewusst auf eindeutige Aussagen oder Positionen und verweigern jede Form der ideologischen Vereinnahmung. Auch Herold malt nur, was er sieht, und zwingt den Betrachter so, die bequeme Haltung des Kunstkonsumenten aufzugeben: Konfrontiert mit der Darstellung eines rassistischen Gewaltakts, muss er nun selbst Position beziehen.

Absicht und Wirkung

Ist die künstlerische Darstellung von Gewalt moralisch vertretbar? Oder verletzt die Reproduktion des Grauens die Opfer erneut? Macht ein solches Werk den Betrachter zum Voyeur und Komplizen? Zwischen künstlerischer Absicht und ihrer tatsächlichen Wirkung existiert ein unkontrollierbares Spannungsfeld. Bis heute ist dies ein unlösbarer Konflikt. Nach den Gräueltaten des Nationalsozialismus schien es unmöglich, weiterhin gegenständlich zu malen. Die Konsequenz war eine formlose, abstrakte Malerei, die vor allem in der westlichen Kunstwelt dominierte. Der Kalte Krieg zwischen Ost und West spiegelt sich auch in einem gegensätzlichen Malereiverständnis wider: Figuration im Osten, Abstraktion im Westen. Die Künstlergeneration von Georg Herold entzieht sich dieser ideologischen Vereinnahmung. Herold visualisiert Gewalt in seiner hier ausgestellten Arbeit mit aller Schärfe – Folgen, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, inklusive.

Die Rolle der Malerei

Seit Jahrhunderten gilt die Malerei als „Fenster zur Welt“. Sie handelt von Wirklichkeit und Alltag, ohne sie jedoch wie die Fotografie unmittelbar abzubilden. Stattdessen vermittelt sie die Realität durch den malerischen Übertragungsprozess. Der brutale rassistische Übergriff ist so oder in ähnlicher Form geschehen oder wurde vom Künstler erfunden – und muss deswegen nicht weniger „wahr“ sein. Im Gegensatz etwa zu einem Dokumentarfotografen scheint sich der Maler einzumischen: Er gestaltet das Gesehene, indem er es mit künstlerischen Mitteln auf die Leinwand überträgt. Muss er deswegen das Gesehene auch kommentieren, bewerten oder Stellung beziehen? Wird der malende Künstler, wenn er sich brisanten Themen widmet, automatisch zum Aktivisten, der sich eindeutig positionieren muss?

Das Gewicht des Ziegelsteins

Ziegelsteine prägen Georg Herolds Leinwände im wahrsten Sinne des Wortes: Seit 1984 ist ihnen ein ganzer Werkkomplex gewidmet. Die Ziegelsteine sind mit Industrieleim auf die häufig roh belassene Leinwand aufgebracht und fordern das dünne Gewebe zum Zerreißen heraus. Bereits 1978 fertigt Herold sein erstes Objekt mit Ziegelstein. 1981 entsteht das heute im Städel ausgestellte Werk. In der Art der malerischen Umsetzung geht es der Serie voraus, bei der Herold dann mit realen Steinen arbeitet. Der Ziegelstein ist für den Künstler eine Metapher: Er verliert seinen eigentlichen Zweck, wird auf die Form, sein Volumen und die Wirkung reduziert. In der Konfrontation mit dem Betrachter löst der Ziegelstein – als realer Gegenstand oder gemalt – Assoziationen zu ähnlichen Gewalttaten aus und wird so zur spürbaren Bedrohung.

Werkdaten

Werkinhalt

Forschung und Diskussion

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Letzte Aktualisierung

15.11.2024