Über das Werk
So sehr der antijüdische Impuls in den Passionsbildern vorherrscht, so deutlich wird auch das ausgeprägte Erlösungsbedürfnis der christlichen Zeitgenossen. Der Junge, der Jesus in der Szene der Vorführung vor dem Volk mit der obszönen Geste der „Feige“ verspottet, erweist sich als Hinweis auf die Erlösungsbedürftigkeit, in diesem Falle der Holbein-Familie selbst! Der Junge taucht in vielen Bildern Hans Holbeins d. Ä. auf und ist ein verkapptes Porträt des älteren Malersohns Ambrosius. Der alte Holbein hat übrigens auch seinen jüngeren Sohn Hans - ganz ohne Verkleidung - als erlösungsbedürftigen Sünder dargestellt: als Bettler zu Füßen der Heiligen Elisabeth im Sebastiansaltar von 1516, heute in der Alten Pinakothek in München. Die Sündenlast des Sohnes wird hier noch dadurch gesteigert, dass er als Leprakranker geschildert wird: Aussatz galt den Zeitgenossen als sichtbares Zeichen der Strafe Gottes!