Über das Werk
Dem Betrachter dieser komplexen Arbeit von Sigmar Polke erschließt sich nach und nach eine Verschränkung aus Motiven und bildnerischen Techniken. Der »Große Kopf« wirkt wie eingetaucht in eine irritierende Vielfalt an Farbsetzungen und Gestaltungseffekten, die erkennen lassen, wie der Künstler verschiedene Kunststile der Moderne, aber auch triviale Bildwelten zitiert und kalkuliert verfremdet.
Die beherrschende graue Erscheinung des Kopfes erweckt den Eindruck eines erschöpften Rebellen. Das Bild könnte aus einer Reportagephotographie der Tagespresse entwickelt sein. Zu erkennen ist ein junger Mann, der seine Haare unter einem Tuch trägt und den Kopf zur Seite geneigt hält. Seine Augen sind geschlossen und während er vor sich hin zu träumen scheint, hält er zwischen seinen Lippen eine Zigarette. Ein mögliches Traumbild, das Polke in das Gesichtsfeld eingefügt hat, wirkt wie ein ironischer Kommentar. Eine figürliche Szene schildert zwei junge Paare, die froh gestimmt an einem Tisch beisammen sitzen und sich erwartungsvoll einer Kellnerin zuwenden, die ihnen auf einem Tablett Cocktails serviert. Diese Illustration im Stil der 60er Jahre zeigt die sorgenfreie Freizeit im wirtschaftlich konsolidierten Nachkriegsdeutschland und diente Polke 1979 auch für einen Schablonendruck in seinem Gemälde »Drehung« (Deutsche Bank). Im »Großen Kopf« führte er dieses Bildzitat seitenverkehrt als Scherenschnitt aus. Diese Technik bricht die zweidimensionale Fläche auf und bietet konsequent, quasi als Blick in den Kopf, die darunterliegende Bildebene an. Zu sehen ist hier, wiederum als Zitat einer Zeichnung, der schablonierte, schwarze Umriss einer Hand, die eine geöffnete Schere hält – ein Verweis auf die eigene künstlerische Handlung. Dieses Detail steht in einem malerischen Bildzusammenhang, der durch kräftiges Blau angedeutet ist, das zusammen mit strahlendem Gelb und Rot auch an weiteren Stellen des Scherenschnittes aufscheint.
Der Betrachter ist in eine qualitativ andere Wahrnehmungsebene versetzt, denn er findet nun keinen Hinweis auf figürliche Abbilder der Wirklichkeit mehr, sondern eine Anspielung auf die zeitgenössische Kunst eines de Kooning. Die wässrig blauen Sprengsel, die melancholisch den Kopf verschleiern, der an Warhol erinnert, verweisen auf Sam Francis. Und die flächig ausgeführten unteren Ecken des Werkes in Gelb und Grün lassen an Farbfeldmalerei denken. Der spielerische Umgang Polkes mit den Stilrichtungen der amerikanischen Malerei und sein ironischer und dabei durchaus auch selbstironischer Blick auf Kunst und Gesellschaft bekräftigen die subtile Abgrenzung des deutschen Künstlers zur internationalen Zeitgenossenschaft.