Über das Werk
Aus sicherer Entfernung, wie durch ein Nachtsichtgerät, filtert der nächtliche Beobachter schemenhaft Gebäude und Bäume in den Fotospeicher. Was am Tatort vorgeht, erfährt man nicht. Ganz im Gegensatz zu den uniform versiegelten Einfamilienhäusern aus Thomas Ruffs frühen Jahren oder seinen geglätteten Passbild- und Steckbriefgesichtern auf Großporträts aus dem Familien- und Freundeskreis verschwimmen die Konturen. Der erste Nachfolger auf Bernd und Hilla Bechers Lehrstuhl an der Düsseldorfer Kunstakademie zoomt seit 1992 Motive ins Verschwommene. So unscharf wie das Foto, so ungenau soll die Wahrnehmung bleiben – ähnlich wie bei dem ungewissen Vorgang im Gebüsch, durch das in Michelangelo Antonionis epochalem Film der Wind bläst: Blow Up! Was in Thomas Ruffs konzeptueller Fotografie geschieht oder geschehen sein könnte, hängt vom Sehsinn des Betrachters ab. Wenn es hell wird, scheinen Architekturikonen von Mies van der Rohe oder aus dem Internet abgerufene Pornoszenen auf die Linse eines Milchglasobjektivs zu gleiten. Noch ist nichts wirklich. Wie in den Altersbildern des Action-Painters Willem de Kooning verlieren sich die Umrisse in schwarz-weißer und farbiger Kurvatur.