Über das Werk
Im Frühjahr 1950 verbrachte Beckmann mit Frau und Hund Butshy drei Tage bei der Großfamilie Hope, um Skizzen und Fotografien für ein Familienporträt anzufertigen. „Fahre eben nach Blumington-Indiana um dort ein Ehepaar mit 6 Kindern zu malen. – o mein Gott – na es wird schon werden.“[1] Der Kunsthistoriker Henry R. Hope (1905–1989), Leiter des Department of Fine Arts der Indiana University im beschaulichen Bloomington, hatte Beckmann 1947 ein Lehramt angeboten, das er allerdings ablehnte, um die Stelle in Saint Louis anzunehmen.[2] Erstmals begegneten sie sich 1948 in Bloomington, wo der Künstler als Jurymitglied über Schülerarbeiten der Universität urteilte: „sehr langweilig alles […] – oh Gott – nie wieder“.[3]
Das Familienbild der Hopes ist eine der wenigen Auftragsarbeiten, die Beckmann ausführte.[4] Hope kannte die Malerei des Deutschen und hatte durch seinen Freund, den Kunsthändler Curt Valentin, bereits "Tänzerin mit Tambourin", 1946 (G717) gekauft. Im Besonderen schätzte er die Porträts des Malers wie das "Bildnis Curt Valentin und Hanns Swarzenski". Mithilfe von Valentin gelang es, den Künstler für das "Gruppenbild Hope" zu gewinnen.
Beckmann fertigte von fast allen Familienmitgliedern Skizzen und Studien an.[5] So auch von der jüngsten Tochter Sarah Jane, die er in einer großformatigen Kohlezeichnung festhielt. Das damals fünfjährige Mädchen, ein echtes Energiebündel, bemüht sich redlich, für die Studie still auf einem Stuhl zu sitzen. Die Wangen scheinen noch vom Herumtoben gerötet, ihr Blick wirkt schüchtern, zugleich scheint sie ihr Gegenüber genau erforschen zu wollen. Als temperamentvollstes Familienmitglied lässt Beckmann das kleine Mädchen, seinem wilden Wesen entsprechend, im Gemälde „aus dem Rahmen fallen“. Es ist eine unruhige Pose, wie sie eher in Beckmanns Werken der 1920er-Jahre zu finden ist.[6]
Der wiederkehrende Tagebucheintrag mit dem Wortspiel „Hope, Hope, Hopenlos“ spiegelt sein Ringen mit der Aufgabe des Gruppenbildes wieder.[7] Die Familie arrangiert er in einem auffallend schmalen Hochformat. Das fast in Lebensgröße wiedergegebene Ehepaar Hope präsentiert sich mit seinen Kindern. Henry Hope zeigt auf eine afrikanische Skulptur in seiner Hand. Als Fruchtbarkeitsidol spielt sie sowohl auf seine Leidenschaft als Sammler und Kenner primitiver Figuren als auch auf die kinderreiche Familie an. Der Internatsschüler Peter McClennen, der älteste Sohn aus erster Ehe der Mutter Sarahanne (1913–2002), befindet sich hinter seinem Stiefvater, nur sein Kopf ist zu sehen. Seine Schwester Helen steht vor der Mutter und hält ihre Hand. Die anderen Geschwister sind im Bildvordergrund angeordnet. James Christopher McClennen sitzt auf einem Stuhl, während Sarah Jane Hope vorne in den Bildraum purzelt. Das Familienporträt wird durch die jüngsten Söhne, die Zwillinge Roy Ea und Ray William, komplettiert. Ray kniet auf dem Fußboden und wendet sich dem Familienhund, dem Cockerspaniel Red, zu. Sein Bruder hat auf einem ziegenähnlichen Tier Platz genommen.
Die Hopes wurden von Beckmann ohne gegenseitigen Blickkontakt als isolierte Individuen auf engstem Raum gemalt. Nur Peter, der zu Beckmanns Besuch nicht anwesend war, blickt frontal aus dem Gemälde heraus. Die Familie scheint nahezu beziehungslos zueinander. Außer von Helen, die ihre Mutter berührt, gibt es keinen Körperkontakt. Dies ist keinesfalls als ein unharmonisches Miteinander aufzufassen, sondern gerade durch seine Komposition der eng im Raum zusammenstehenden Eltern und Kinder scheint der Künstler der Patchworkfamilie gerecht zu werden.
Wie die nach dem Gemälde arrangierte Weihnachtskarte der Hopes zeigt, befand sich in ihrem Besitz ein altes weißes Karussellpferd. Beckmann setzt den Zwilling Roy aber bewusst nicht auf ein Holzpferd, das eindeutig als Motiv seiner eigenen Kindheit positiv besetzt ist. Stattdessen mutiert das Tier zu einem dunklen Ziegenbock mit funkelnden Augen. Vielleicht ist er eine ironische Anspielung, die Beckmanns eigentlichen Widerwillen aufzeigt, sich mit der Auftragsarbeit und der lärmenden Kinderschar auseinandersetzen zu müssen. Laut den Tagebucheintragungen kämpfte der Maler sehr mit der acht Personen umfassenden Komposition. Schließlich schreibt er sichtlich erleichtert: „Glaube Hope ist finished. Es wäre zu schön um wahr zu sein. Aber es ist jetzt wirklich recht gut.“[8]
[1] Briefe III, Nr. 985 vom 31.3.1950.
[2] Henry Hope erfuhr durch Curt Valentin sowie das befreundete, 1935 nach Amerika emigrierte Ehepaar Bernhard und Cola Heiden (beide lehrten am Music Department in Bloomington) von Beckmanns Ausreisewünschen. Tagebücher, 29.4.1947.
[3] Tagebücher, 30.4.1948.
[4] Auftragsarbeiten der amerikanischen Zeit sind die Bildnisse von John S. Newberry, 1947, G 756; Morton D. May, 1949, G 785, und Edith Rickey, 1949, G 788.
[5] Vgl. zu den Skizzen: Leipzig 1998, S. 260.
[6] Vgl. Fastnacht, 1920, G 206.
[7] Tagebücher, 15. und 16.5.1950.
[8] Tagebücher, 17.5.1950.